BRUNO TAUT GALERIE  Zehlendorf  2012/13 

Rede zur Eröffnung von Helga Schmidt - Thomsen

 

Drei höchst unterschiedliche Künstler-Persönlichkeiten haben sich hier zusammengefunden, - unterschiedlich in der Wahl der Sujets, unterschiedlich in ihrer Technik – Zeichnung, Aquarell, Pastell, Eitempera oder Acrylmalerei, - sehen wir doch auch Gemeinsamkeiten:

Der Blick ist auf die Dingwelt gerichtet, auf vorgefundene Situationen und Arrangements, die von der Präsenz des Menschen und seiner Urheberschaft in der Welt der Dinge sprechen, ihn aber selten zeigen.

Zu erwähnen ist auch, dass das Reisen, der Aufenthalt an anderen Orten und die Lust, neue Eindrücke festzuhalten, alle drei verbindet. Gemeinsam ist den Dreien schließlich, dass sie eine profunde Ausbildung als bildende Künstler oder eine professionelle Anleitung im Lauf des Studiums erfahren haben.

 

Im ersten Raum der Galerie sehen wir ARBEITEN von GRIETJE WILLMS. Sie stammt aus Lüdenscheid / Westfalen  und hat nach dem Studium der Bildenden Künste und der Kunsterziehung (1962-68) an der Kunstakademie Düsseldorf und an der HfbK in Berlin und einem Studium der Romanistik viele Jahre als Kunsterzieherin an Gymnasien in Berlin gearbeitet. Studienaufenthalte haben sie vorwiegend nach Südeuropa geführt. Heute ist sie freie Malerin und hat zahlreiche Ausstellungen gezeigt. Sie ist auch als Gestalttherapeutin tätig und Dozentin an Volkshochschulen mit dem humorigen Kurs-Titel  ‚Zeichnen für Untalentierte‘.

Hier zeigt Grietje Willms Arbeiten, die durch Farbintensität geprägt sind. In ihren Stillleben verleiht sie dem flüchtigen Augenblick Dauer und der Vergänglichkeit Präsenz. Verbunden ist sie den Vorbildern der Stillleben-Malerei von den Holländern des Barock bis zu Cézanne, aber auch mit einer Hommage an den eher düsteren Spanier Zurbaran.

Der Blick vom Nahen in die Weite gehört dazu. Der Ausblick auf Meer und Himmel zeigt die Elemente Luft und Wasser in ihrer stetigen Veränderung. Es gibt den Vordergrund als gefestigten Standort mit dem Blick auf das Farbenspiel des Naheliegenden, aber auch das – schon abstrakte – expressive Farbspektrum einer sich ergießenden Lichtfülle. Die lustvolle Farbigkeit, auch im Kontrast, gibt diesen Bildern ihre Stärke.

Einführungsrede zur Ausstellung in der Kleinen Weltlaterne 2011

 

Grietje Willms weiß, was sie macht. In den 60er Jahren studierte sie Kunsterziehung an der Kunstakademie Düsseldorf und der Hochschule für Bildende Künste in Berlin. Ihr Schwerpunkt: die Malerei.

Sie mag das Handwerk, die Sinnlichkeit der Materialien. Wenn zu Zeiten ihres Studiums auch die abstrakte Malerei dominierte, Grietje hielt am Gegenstand fest. Sie liebt die sichtbare Welt und sie versucht, Ausschnitte oder Teile von ihr festzuhalten oder in ihrem Sinne umzugestalten.

Die kleine Welt der Dinge, die Welt der kleinen Dinge, Früchte, Fische, Teller, Messer, Tisch, stellt sie zu intimen Stillleben mit einem Teil Wand zu einem meist flachen Bildraum zusammen. Oder präsentiert sie in einer einfachen Draufsicht, einer Alltagsperspektive. Die Blattsilberrahmen, die sie selbst aufwändig herstellt, unterstreichen den Eindruck der Intimität.

Die Stillleben vermitteln nicht nur das Greifbare, sondern auch den Geschmack der Dinge. Malerisch fasst sie die Objekte und legt dem Betrachter nahe, diesen Prozess nachzuvollziehen. Die frischen Feigen, auf dem Markt in der Türkei gekauft, sind wegen des langen Malprozesses am Ende nicht mehr alle genießbar, aber die letzten noch köstlich. Der Wolfsbarsch aus dem Atlantik, festgehalten in Bleistiftskizzen, Fotos und schon farbig angelegt auf der Leinwand, wird gegrillt zum besonderen Festmahl.

Bei den Studienaufenthalten an der französischen Atlantikküste, in Italien und der Türkei haben neben den Naturschönheiten also auch die kulinarischen Köstlichkeiten der Region ihre Bedeutung. Genuss mit allen Sinnen!

Wie sinnlich sie sein mögen, vermitteln die Bilder doch eine gewisse Kühle, bleiben zurückhaltend. Wesentlich für sie sind Ruhe und Stille.

Hinter einigen Stillleben öffnet sich der Bildraum in die Weite. Das Meer im Hintergrund, die türkische Ägäis, der Atlantik oder die Nordsee, zieht den Blick des Betrachters in die Tiefe des Raumes.

Grietje liebt das Meer in seiner Vielfalt. Es bedeutet Ungebundenheit und Freiheit, Bewegung und Unruhe, es kann äußerst gewalttätig sein und doch friedlich, sogar zärtlich. Es birgt Geheimnisse. Es gibt Nahrung. Es zieht sich zurück und gibt zerklüftete Landschaften frei, kehrt wieder mit heftiger Brandung.

Die Stillleben vermitteln das Gegenwärtige, Vergänglichkeit, Endlichkeit, das Meer Unendlichkeit. Die Stillleben zeigen den privaten Raum, das Meer verbindet mit der Welt.

Das Meer - wie auch die Wolkengebilde am Himmel - zu betrachten ist immer eine meditative Angelegenheit.

Im Bildaufbau, den Parallelen der Tischkanten in den Stillleben, kann man Grietjes Verehrung der holländischen Stilllebenmalerei des frühen 17.Jh. erkennen; aber auch Chardin gehört zu den hoch geschätzten Vorbildern.

Kleinräumige, von Menschen geprägte Orte finden sich in den Pastellen, die in der italienischen Landschaft, ‚sur le motif’, wie Cezanne sagte, entstanden sind.

Grietjes Malweise erinnert in der vorwiegend ruhigen Flächigkeit an manche Impressionisten, gelegentlich gibt es expressionistische Elemente. Sie arbeitet mit kräftigem, meist kurzem Pinselstrich, nutzt Komplementärkontraste mal mit klaren (Rot-Grün-Kontrast von Tomaten und Zucchini) dann wieder mit gebrochenen Farbklängen (ein Hauch von Gelb-Violett-Kontrast im Feigenbild links und rechts) und verleiht so ihren Bildern Spannung.

Malen ist ein langsames Gewerbe. Malerei erfordert Geduld, Ruhe und Gelassenheit. Und es gibt Rückschläge und Krisen.

Die Bildwelt hat eigene Regeln. Der Malprozess braucht Konzentration. Es geht darum, sich hineinzubegeben in den Dialog mit den Dingen. Es geht darum, sie zu erfahren, zu sehen, ihre Gestalt, ihre Farbe wahrzunehmen, auf die Leinwand zu bringen.

Es geht darum, das Band, das sie zusammenhält zu finden, es zeichnerisch und malerisch festzuzurren.

Dieses Sich-Einlassen auf Objekte und Mittel der Malerei ist der Schritt in einen eigenen Raum, in den des Dialogs mit Objekten, die man sieht und solchen, die man auf der Leinwand sichtbar macht. Auf diesen Prozess können die schwer verzichten, denen es mehrfach gelungen ist, Wunschbild und malerischen Prozess in Einklang zu bringen. Die Malerin gerät in den Fluss des Machens.

Das Spannende daran sind die Überraschungen, auf die alle stoßen, die sich auf diesen Arbeitsprozess einlassen...

Text von Wolf Lützen, Andreas Hub-Kuhn und Grietje Willms